Zweites Empire in Frankreich

Zweites Empire in Frankreich
Zweites Empire in Frankreich
 
Seit der Französischen Revolution 1789 galt Frankreich als das Mutterland der Revolution, als Land des Fortschritts. Die Weltöffentlichkeit konnte miterleben, wie die Franzosen die einmal errungenen Freiheiten zu verteidigen wussten, so im Juliaufstand 1830 gegen den reaktionären Monarchen Karl X. und im Februar 1848, als sie den »Bürgerkönig« Louis Philippe zur Abdankung zwangen und Frankreich zur Republik erklärten.
 
Aber noch im Juni desselben Jahres ließ die bürgerliche Mehrheit in der Nationalversammlung eine Rebellion kleinbürgerlicher Schichten und Arbeiter in Paris von Soldaten zusammenschießen. Die Wendung des gemäßigten Bürgertums aus der gemeinsamen Revolutionsfront zum Pakt mit den alten Ordnungsmächten war wesentlich bestimmt von der Sorge vor einer jakobinischen Ausweitung der Revolution wie 1793/94.
 
In großen Teilen der französischen Gesellschaft vollzog sich ein politischer Meinungswandel. Die neue Verfassung von 1848, die die Wahl eines Präsidenten durch das Volk vorsah, verhalf nun den konservativen Kräften zum Durchbruch. Eine »napoleonische Legende« wurde zur wirkungsvollsten Wahlkampfparole: Wie einst Napoleon I. die Franzosen aus den Unruhen der Revolution geführt hatte, sollte nun ein anderer Träger dieses Namens die Rettung Frankreichs bringen. So erhielten in der Wahl vom 10. Dezember 1848 nicht die in der Februarrevolution erfolgreichen Führer des Bürgertums die meisten Stimmen, sondern Louis Napoleon Bonaparte, ein Neffe des Kaisers, der noch kurz zuvor wegen Umsturzversuchen gesucht worden war. Das politische Klima in Frankreich hatte sich nach seiner Rückkehr aus dem Exil zu seinen Gunsten entscheidend verändert, seit 1840 der Leichnam des Kaisers in einem feierlichen Staatsakt von St. Helena nach Paris übergeführt und im Invalidendom beigesetzt worden war.
 
Der jüngere Napoleon nutzte die ihm von der Verfassung zugewiesene starke Position und übte bald, gestützt auf die monarchistische Mehrheit im Parlament, eine verschleierte Diktatur aus. Zugleich aber trat er als Anwalt des Volkes auf, indem er die Wiedereinführung des allgemeinen Wahlrechts betrieb. Als das Parlament seinen Antrag ablehnte und auch der Verlängerung seiner präsidialen Amtszeit nicht zustimmte, inszenierte er einen sorgfältig vorbereiteten Staatsstreich, ließ seine politischen Gegner verhaften und löste das Parlament auf. Bald darauf kündigte er die Aufhebung des umstrittenen Wahlgesetzes von 1850 und eine neue Verfassung an.
 
Republikanischer Widerstand schlug fehl; eine Volksabstimmung führte nachträglich mit großer Mehrheit zur Billigung seines Vorgehens. Die neue, ganz auf ihn zugeschnittene Verfassung vom 14. Januar 1852 sah ein Zweikammersystem (Staatsrat und Senat) vor. Der Senat entschied sich für die Errichtung eines Zweiten Empire. Am 2. Dezember 1852, am Jahrestag seines Staatsstreiches und der Kaiserkrönung seines Onkels, wurde der »Prinz-Präsident« Kaiser der Franzosen. Er nannte sich Napoleon III., da der Sohn Napoleons I. bereits 1832 gestorben war. Die französische Bevölkerung stimmte in einem Plebiszit der Wiedererrichtung des Kaisertums mit überwältigender Mehrheit zu.

Universal-Lexikon. 2012.

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